Wenigstens ein bisschen Fastnachtsflair wollen sie verbreiten, das Prinzenpaar des Großen Rats der Frankfurter Fastnacht, Jonas Nagel und Sandra Stey. © Oeser
PORTRÄT DER WOCHE
Geselligkeit in kleinen Dosen
vonGeorge Grodensky 07.02.202119:02
Das Frankfurter Prinzenpaar begibt sich auf Stippvisite bei den Vereinen in den Stadtteilen. Die freuen sich über den Gruß des Großen Rats der Karnevalsvereine.
In vollem Ornat ist das Prinzenpaar am Samstag unterwegs. Weithin sichtbar leuchten die beiden in ihren rot-weißen Uniformen. „Wenn, dann richtig“, sagt Prinzessin Sandra Stey. „Ein bisschen Fastnacht muss sein.“ Dabei wären schwarze Anzüge und Sonnenbrillen auch passend gewesen. Immerhin sind seine Tollität Jonas I. und Ihre Lieblichkeit Sandra I. in geheimer Mission unterwegs. Sie sind aufgebrochen zu „konspirativen Treffen“, wie Uwe Forstmann launig sagt. Schön, dass der Pressesprecher des großen Rats der Frankfurter Karnevalsvereine seinen Humor nicht verloren hat.
Konkret handelt es sich um Besuche bei den Karnevals- und Fastnachtsvereinen in den Stadtteilen. „Unter Corona-Bedingungen“, betont Forstmann, mit Maske und Abstand und allergrößter Geheimhaltung, was die Termine betrifft. Immer nur ein Vereinsvertreter oder -vertreterin sind erlaubt, tauschen Orden oder Geschenke mit dem Prinzenpaar aus, es sollen sich bloß keine Gruppe bilden.
Ungewohnt für Närrinnen und Narren. Sonst lustwandeln sie im Februar von Party zu Ball zu Sitzung zu Umzug. Wegen Corona fällt das alles aus. Um so mehr freuen sich die Karnevalsfreunde über den royalen Besuch. Ein paar bekannte Gesichter habe sie erspäht unter den Masken, erzählt Stey über die Tour. Auch die Adressat:innen des Besuchs sind in festlichem Staatsgewand. Mit Kappe, Orden, kurz: allem, was dazu gehört. So entwickelt sich eine umgekehrte Bütt – von einigen Balkonen schauen Nachbar:innen belustigt auf die Treffen hinunter.
„Wir wollen den Vereinen, den Aktiven die Hand reichen“, sagt Forstmann, auch wenn es nur symbolisch sei, sie aufmuntern, einfach den Kontakt halten. Denn das sei es, was den Fastnachtsfreund:innen am meisten fehle: der zwischenmenschliche Kontakt, das gemeinsame Feiern und Lustigsein. Die Verbundenheit quer durch die Stadt zwischen Vereinen und dem großen Rat. „Fastnacht lebt von der Geselligkeit“, sagt Forstmann.
So hat der Rat zwei große Touren durch die Stadtteile erstellt. Für den vergangenen und für den kommenden Samstag. Als Bürde empfinden das die Fastnachtsroyalitäten nicht. Sie kennen es nicht anders. An Fastnacht ist Trubel. Zu Hause zu sitzen, das fällt ihnen eher schwer. „Alleine das Gefühl, mal wieder das Ornat tragen zu können“, schwärmt Stey, sei die Tour schon wert.
Prinz Jonas Nagel (22) ist seit Kindesbeinen bei der Bornheimer „Karneval Gesellschaft 1901“ aktiv, hat bislang keinen Fastnachtszug verpasst und ist seit fünf Jahren auch Mitglied des Elferrats seines Vereins. Obendrein tanzt er in der Garde der Bornheimer Käwwern. Schon der Großvater ist in der fünften Jahreszeit aktiv gewesen, bei der Sängergruppe „Bernemer Handwerksbursche“.
Auch im bürgerlichen Leben tritt Jonas Nagel in die Fußstapfen von Vater und Großvater. Er arbeitet als Dachdecker im heimischen Betrieb, „steigt den Leuten gern aufs Dach“. Kraxelte, kaum dass er laufen konnte, dem Vater aufs Garagendach nach. Keine Leiter war vor ihm sicher.
Ihre Lieblichkeit, Sandra Stey (22), stand als Zweijährige als Tänzerin in der Garde der Bernemer Käwwern auf der Bühne. Ebenfalls ein Familienerbe. Die Mama ist Gardemädchen gewesen, dann als Trainerin tätig, Papa Stey im Elferrat und Vorstand. Zwanzig Jahre später ist Sandra Stey noch immer in ihrem Verein aktiv, tanzt in der Garde. Trainiert mit einer Mittänzerin zusätzlich die Kindergarde der Goldenen Elf im Gardetanz.
Was kaum jemand weiß: Sie wohnt gar nicht mehr in Frankfurt. Ist aber dennoch recht oft in der Stadt zu finden. Wenn sie nicht gerade Freizeitparks besucht, Ski fährt oder auf Schlagerkonzerten laut mitsingt.
In der Frankfurter Fastnacht sind beide doppelte Pioniere. Prinzenpaar waren sie bereits in der vorigen Kampagne, 2019/2020. Da waren sie das erste royale Doppel, das aus demselben Stadtteil (Bornheim), nicht aber aus demselben Verein stammt. Und sie sind das erste Paar, dass eine zweite Amtszeit angetreten ist. Keinen Moment haben sie gezögert, als der große Rat mit der Bitte an sie herangetreten ist, wegen Corona zu verlängern. Für ein neues Paar wäre die aktuelle Kampagne wohl auch eine arge Enttäuschung.
„Das Fastnachtsherz blutet“, sagt Stey und seufzt. Die Gesellschaft fehle ihr, die Menschen. Auch das Tanzen. Ein paar Mal hat ihre Gruppe versucht, über das Internet die Schritte gemeinsam zu lenken. „Aber so richtig funktioniert das nicht“, sagt Stey. Auch für ihre Kindergruppen tut es der Trainerin Stey leid. Kinder hätten einen besonderen Bewegungsdrang. Nun hofft sie, dass die jungen Tänzerinnen nicht das Interesse verlören.
„Es ist keine normale Kampagne“, sagt Nagel. Viele Vereine versuchen, Onlinesitzungen anzubieten oder Onlinestammtische. Die Grundsätze sind auch in der Pandemie die gleichen wie früher: „Vereine sind wichtig für Freude, Freundschaft und friedliches Miteinander.“